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Anti-Privilegien-Volksbegehren

Das 1987 von der FPÖ ins Leben gerufene „Volksbegehren für mehr Leistung und Gerechtigkeit – gegen Parteibuchwirtschaft und Privilegien“, kurz "Anti-Privilegien-Volksbegehren" konnte 250.697 Unterschriften erzielen. Eintragungswoche war von 22. bis 29. Juni 1987. Es erzielte Rang 26 von 50 Volksbegehren (Stand 2020).

Kurzbeschreibung

Jörg Haider hatte im Jahr 1986 die FPÖ mit dem Ziel übernommen, die Republik zu verändern. Eines der zentralen Themen war der "rot-schwarze Proporz", der die Republik seit Jahrzehnten prägte.

Im Jahr 1987 riefen die Freiheitlichen, die Parteibuchwirtschaft und Privilegien im Nationalrat und in ihren Wahlkämpfen thematisierten, das erste freiheitliche Volksbegehren ins Leben, welches sich „gegen Parteibuchwirtschaft und Privilegien“ richtete, beziehungsweise „mehr Leistung und Gerechtigkeit“ einforderte.

Im Wesentlichen umfasste das Volksbegehren folgende fünf Forderungen:

  • Beseitigung ungerechtfertigter Privilegien;
  • Maßnahmen zur Entstaatlichung, sowie für Gleichstellung staatlicher und privater Unternehmertätigkeit;
  • Freiwillige Mitgliedschaft bei den Berufskörperschaften;
  • Objektive Vergabe von Dienstposten und Wohnungen;
  • Erweiterung der Zuständigkeit der Volksanwaltschaft.

Auswirkungen

Mit rund 250.700 Unterschriften war das Volksbegehren aus freiheitlicher Sicht ein voller Erfolg, und förderte auch ein allgemeines Umdenken, was den Proporz der beiden damaligen Großparteien betraf.

Text des Volksbegehrens

238 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XVII. GP

Ausgedruckt am 3. 9. 1987

Volksbegehren

Bundesverfassungsgesetz vom xxxxx für Leistung und Gerechtigkeit - gegen Parteibuchwirtschaft und Privilegien .

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel I Beseitigung ungerechtfertigter Privilegien

§ 1. (1) Die Tätigkeit als Mitglied der Bundesoder einer Landesregierung ist mit der Ausübung eines Mandates in einer gesetzgebenden Körperschaft unvereinbar.

(2) Die Ausübung eines Mandates in einer gesetzgebenden Körperschaft und die Tätigkeit als Mitglied der Bundes- oder einer Landesregierung ist mit der Übernahme der Funktion eines Aufsichtsrates in einer Unternehmung, an der der Bund, ein Bundesland, eine Gemeinde oder eine Körperschaft öffentlich-rechtlichen Rechts beteiligt ist, unvereinbar.

(3) Die Bezüge, Aufwandsentschädigungen und sonstige Gebührnisse von Funktionären und Mandataren des Bundes, der Länder, Gemeinden sowie öffentlich-rechtlichen Körperschaften unterliegen der vollen Besteuerung.

(4) Die Ausübung von mehr als einer Funktion, die eine volle Normalarbeitszeit erfordert, bei einer Gebietskörperschaft oder öffentlich-rechtlichen Körperschaft, für die eine laufende Entschädigung gewährt wird, ist unzulässig.

(5) Regelungen über die Verdoppelung von Abfertigungen bei obersten Organen des Bundes und der Länder haben zu entfallen.

(6) Das Pensionsalter der obersten Organe des Bundes und der Länder darf nicht mit unter 60 Jahren festgesetzt werden.

(7) Öffentliche Bedienstete haben für die Dauer der Ausübung eines Mandates in einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder der Länder die Möglichkeit, unter Entfall der Bezüge karenziert zu werden. Den öffentlichen Bediensteten sind Dienstnehmer gesetzlicher Interessensvertretungen der Dienstnehmer und Dienstgeber sowie der Sozialversicherungsanstalt gleichgestellt.

(8) Die Ausübung der Funktion eines Obmannes, Obmannstellvertreters oder Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses in den gesetzlichen Körperschaften der Sozialversicherung ist ehrenamtlich. Die Abgeltung des Zeitaufwandes für die Ausübung dieser Tätigkeiten erfolgt im Wege von Sitzungsgeldern, deren Festsetzung der Zustimmung des Bundesministers für soziale Verwaltung bedarf. Die bisherigen Funktionsgebühren entfallen.

Artikel II Erweiterung der Zuständigkeit der Volksanwaltschaft

§ 2. (1) Jedermann, dessen Beschwerde von mindestens' 500 weiteren Personen unterstützt wird, kann sich bei der Volksanwaltschaft wegen behaupteter unsachlicher Besserstellungen oder Schlechterstellungen physischer oder juristischer Personen oder Personengruppen beschweren, gleichgültig ob die behauptete Besser- oder Schlechterstellung ihren Grund in einer bestehenden oder fehlenden gesetzlichen Regelung hat.

(2) Die Volksanwaltschaft ist berechtigt, von ihr vermutete unsachliche Besser- oder Schlechterstellungen von physischen oder juristischen Personen oder Personengruppen von Amts wegen zu prüfen.

(3) Die Volksanwaltschaft hat die Schwerpunkte ihres Berichtes an den Nationalrat einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

(4) Auf Antrag der Volksanwaltschaft erkennt der Verfassungsgerichtshof über Verfassungswidrigkeit eines Bundes- oder Landesgesetzes.

Artikel III Maßnahmen zur Entstaatlichung sowie für Gleichstellung staatlicher und privater Unternehmertätigkeit

§ 3. (1) Der Bund hat öffentliche Unternehmungen und Unternehmensbeteiligungen zu privatisieren, soferne eine weitere Trägerschaft oder Beteiligung nicht notwendig oder nicht von besonderem öffentlichen Interesse ist.

(2) Die Bundesregierung hat innerhalb eines Jahres einen Bericht über die gebotenen Privatisierungsmaßnahmen (Entstaatlichungsbericht) vorzulegen. Bei Privatisierung öffentlicher Unternehmungen ist eine Beteiligung der Dienstnehmer Zu ermöglichen.

(3) Die Bundesregierung hat eine unabhängige Kommission (Entstaatlichungskommission) einzusetzen, die sie in Zusammenarbeit mit dem Rechnungshof bei der Erstellung des Entstaatlichungsberichtes sowie der Vorbereitung der Privatisierung berät.

§ 4. (1) Private Unternehmungen haben bei Zuteilung öffentlicher Förderungen den gleichen _ Anspruch wie öffentliche Unternehmungen. Der Einsatz von Förderungsmitteln darf nicht zu einer Benachteiligung oder Verdrängung privater Unternehmungen führen.

(2) Betroffene Unternehmungen können wegen Verletzung vorstehender Grundsätze bei der Entstaatlichungskommission eine formlose Beschwerde einbringen. Die Kommission hat die Beschwerde innerhalb von drei Monaten zu erledigen und der Bundesregierung vorzuschlagen, wie der Beschwerde Rechnung getragen werden soll.

§ 5. (1) Maßnahmen zur Verlustabdeckung aus öffentlichen Mitteln für öffentliche Unternehmungen sind nur zulässig, wenn diese Unternehmungen eine zumutbare Eigenleistung zur Sanierung erbringen.

§ 6. (1) Die Bundesregierung hat darauf hinzuwirken, daß in den vom Bund beherrschten Unternehmungen die Struktur der Bezüge und Sozialleistungen den Grundsätzen einer wirtschaftlichen und sparsamen Unternehmensführung entspricht.

(2) Insbesondere hat sie darauf hinzuwirken, daß

a) der Durchschnitt der Gesamtbezüge (einschließlich Überstundenabgeltungen und Zulagen) einzelner Arbeitnehmergruppen sowie der Organvertreter und leitenden Angestellten nicht über den vergleichbaren Bezügen der Privatwirtschaft liegt;

b) die Kosten der neben den Bezügen gewährten Sozialleistungen 10% der Gehaltssumme (Lohnsumme) nicht überschreiten;

(3) Vereinbarungen über Sozialleistungen und Pensionsansprüche dürfen nicht in unkündbarer Form abgeschlossen werden und müssen eine Anpassung der Höhe des betrieblichen Zuschusses an geänderte wirtschaftliche Verhältnisse ermöglichen.

§ 7. Die Länder haben für ihren Bereich sowie für den Bereich der Gemeinden alle Maßnahmen zu treffen, um eine Anwendung der in den -Bestimmungen der §§ 3 bis 6 festgelegten Grundsätze auch für die von diesen Gebietskörperschaften beherrschten Unternehmungen zu gewährleisten.

Artikel IV Freiwillige Mitgliedschaft bei den Berufskörperschaften

§ 8. Die Mitgliedschaft bei den Kammern der gewerblichen Wirtschaft, den Kammern für Arbeiter und Angestellte, den Kammern für Land- und Forstarbeiter und den Kammern für Land- und Forstwirtschaft sowie bei der Österreichischen Hochschülerschaft ist freiwillig.

Artikel V Objektive Vergabe von Dienstposten und Wohnungen

§ 9. (1) Die Vergabe von Dienstposten im Bereich des Bundes, der Länder, Gemeinden, öffentlich-rechtlicher Körperschaften sowie der Unternehmungen, an denen diese mehrheitlich beteiligt sind, hat ausschließlich nach objektiven Maßstäben zu erfolgen. Diese sind vorweg festzulegen und öffentlich kundzumachen. Ebenso öffentlich kundzumachen sind freie Dienstposten.

Die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer politischen Partei oder Vereinigung darf keinerlei Bewertungskriterium darstellen. Personalentscheidungen, die in Verletzung dieser Grundsätze erfolgen, sind nichtig und strafbar.

§ 10. Die Vergabe von Wohnungen im Bereich des Bundes, der Länder, Gemeinden, öffentlich-rechtlicher Körperschaften sowie der Unternehmungen, an denen diese mehrheitlich beteiligt sind, hat ausschließlich nach objektiven Maßstäben zu erfolgen. Die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit eines Wohnungswerbers zu einer politischen Partei oder Vereinigung darf keinerlei Bewertungskriterium darstellen. Wohnungsvergaben, die in Verletzung dieser Grundsätze erfolgen, sind nichtig und strafbar.

Artikel VI Inkrafttreten

Dieses Bundesverfassungsgesetz tritt mit seinen Artikeln II, III und V am 1. Jänner 1988, mit seinen Artikeln I und IV am 1. Jänner 1989 in Kraft. 

Abrufbar unter:

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XVII/I/I_00238/imfname_264087.pdf

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