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Die "Ibiza-Affäre"

Bei der sogenannten „Ibiza-Affäre“ rund um den seit 2005 amtierenden FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache und den Wiener FPÖ-Politiker Johann Gudenus ging es um die Veröffentlichung eines illegalen Videomitschnitts des früheren FPÖ-Chefs im privaten Rahmen – gedreht in einer Villa auf der spanischen Mittelmeerinsel Ibiza. Als direkte Folge zerbrach die erst im Dezember 2017 angelobte türkis-blaue Bundesregierung aus ÖVP und FPÖ. Zusätzlich musste Heinz-Christian Strache seine Funktionen als Vizekanzler der Republik Österreich und Bundesparteiobmann der Freiheitlichen niederlegen. Die Folgen für die Freiheitlichen waren beträchtlich: Im Herbst 2019 kam es zu vorzeitigen Nationalratswahlen mit erheblichen Verlusten für die FPÖ. Dagegen blieben die wahren Hintermänner des Videos trotz umfangreicher Ermittlungen bisher unbekannt.

Am 17. Mai 2019 veröffentlichen das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ und die deutsche Tageszeitung „Süddeutsche Zeitung“ Ausschnitte aus einem im Juli 2017 auf Ibiza heimlich gefilmten Video. Darauf zu sehen waren der damalige FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache und sein langjähriger Vertrauter Johann Gudenus zusammen mit einer vermeintlichen Investorin und vorgeblichen Nichte eines russischen Oligarchen. Bei der Frau handelte es sich offenbar um einen „Lockvogel“ für das Video, das mutmaßlich von einem, in Deutschland und Österreich tätigen, Wiener Detektiv und Sicherheitsberater sowie von einem Wiener Anwalt produziert wurde. Die veröffentlichten Ausschnitte legten den Schluss nahe, dass die beiden FPÖ-Politiker – für den Fall einer freiheitlichen Regierungsbeteiligung – über Staatsaufträge im Gegenzug für Spenden an die FPÖ zu verhandeln schienen. Die Aussagen in den vor der Nationalratswahl 2017 gefilmten Aufnahmen nährten zudem den Verdacht auf illegale Parteienfinanzierung und die geplante Vereinnahmung von bestimmten österreichischen Medien. An Brisanz gewann das Video zusätzlich dadurch, dass es kurz vor den Wahlen zum Europäischen Parlament am 26. Mai 2019 an die Öffentlichkeit gelangte. Über die weiteren Drahtzieher beziehungsweise Auftraggeber wurde jedoch in weiterer Folge nichts bekannt. Der Verdacht stand jedenfalls im Raum, dass das einschlägige Material bereits zuvor verschiedenen Medien und auch anderen politischen Parteien gegen Geld angeboten worden war.

Als Folge trat Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache am 18. Mai 2019 von allen Funktionen mit sofortiger Wirkung zurück. In seiner Erklärung betonte Strache, dass er sowohl als Vizekanzler zurücktrete als auch seine Funktionen in der Bundes- und der Wiener Landespartei der FPÖ zurücklege. Er begründete seine Entscheidung damit, dass die FPÖ das Regierungsprogramm mit der ÖVP weiter umsetzen wolle. Seine Person dürfe allerdings nicht der Grund dafür sein, dies zu verunmöglichen. Unmittelbar danach erklärte auch Johann Gudenus – seit dem Regierungseintritt der FPÖ im Jahr 2017 geschäftsführender Klubobmann der FPÖ im Nationalrat – per Aussendung seinen Rücktritt von allen politischen Ämtern.

Die FPÖ designierte daraufhin den blauen Verkehrsminister Norbert Hofer zum neuen Parteichef. Im September 2019 wurde Hofer schließlich auch offiziell auf dem 33. Ordentlichen Bundesparteitag in Graz zum neuen FPÖ-Obmann gewählt. Für das weitere Schicksal der türkis-blauen Koalition wurden allerdings nun zwei mögliche Varianten ins Spiel gebracht: Dabei ging es um vorzeitige Neuwahlen oder um eine Fortsetzung der Regierung mit Norbert Hofer als neuem Vizekanzler. Am Abend des 18. Mai 2019 kündigte jedoch ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz die Koalition mit der FPÖ auf und sprach sich für Neuwahlen zum ehest möglichen Zeitpunkt aus.

Der nächste Paukenschlag erfolgte am 20. Mai 2019: Als Reaktion auf den Vorschlag von Sebastian Kurz an den österreichischen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen, FPÖ-Innenminister Herbert Kickl aus der Regierung zu entlassen, kündigten alle freiheitlichen Mitglieder in der Bundesregierung an, geschlossen ihre Ämter niederzulegen, sollte der Innenminister aus der Regierung entlassen werden. Dazu kam es am 22. Mai. Damit waren die türkis-blaue Koalition und gleichzeitig die vierte Regierungsbeteiligung der FPÖ im Bund seit 1983 endgültig Geschichte. Die FPÖ fand sich erneut in der Oppositionsrolle im Parlament wieder.

Kurz stellt daraufhin eine Übergangsregierung vor, die aus Experten beziehungsweise Spitzenbeamten bestehen sollte. Doch am 27. Mai 2019 stürzten SPÖ, FPÖ und die Liste JETZT des früheren Grün-Politikers Peter Pilz mit einem Misstrauensvotum in einer Nationalratssitzung die Regierung unter ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz. Alle drei Parteien versagten auf Antrag der Sozialdemokraten der gesamten Bundesregierung das Vertrauen. Gemeinsam verfügten SPÖ, FPÖ und die Liste JETZT über die dafür nötige Mandatsmehrheit im Nationalrat. Letztlich wurde von Bundespräsident Alexander Van der Bellen eine neue Bundesregierung unter Übergangskanzlerin Brigitte Bierlein – durchwegs besetzt mit hochrangigen Beamten – angelobt. Diese sollte einen geordneten Übergang bis zur Nationalratswahl am 29. September 2019 garantieren. 

Im Zuge der Ermittlungen im Untersuchungsausschuss verweigerte der damalige Finanzminister Gernet Blümel (ÖVP) die Übergabe wichtiger Dokumente. Nachdem der Verfassungsgerichtshof einen Antrag zur Bundesexekution bei Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen stellte, wurde erstmals in der Geschichte der österreichischen Republik ein Minister dazu aufgefordert, unter hoheitlichem Zwang E-Mails und Dateien vorzulegen.

Anfang November 2019 stellte das Oberlandesgericht Wien fest, dass die Methode der Informationsbeschaffung „im besonderen Maße unredlich und in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig war“. Bei einer Hausdurchsuchung bei dem für das Ibiza-Video verantwortlichen Anwalt fanden die Behörden unter anderem zwei Päckchen Kokain.

Am 30. März 2022 wurde der Drahtzieher des Ibiza Videos zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. 

Hier können Sie den Abschlussbericht der Fraktion des Freiheitlichen Parlamentsklubs zum Ibiza-Untersuchungsausschuss herunterladen.

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