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01. Jänner 2007

Das Ende der Freiheit?

Wieviel Demokratie verträgt der Mensch?

Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag, ISBN-10 : 3423343877, ISBN-13 : 978-3423343879

 

Den Titel »Das Ende der Freiheit?« hat amerikanisch-indischen Politikwissenschafter Fareed Zakaria wohl eher aus marketing-technischen Gründen gewählt als eine adäquate Beschreibung des Inhalts zu liefern. Der Untertitel »Wieviel Demokratie verträgt der Mensch?« stellt die Kernfrage dieses Buches besser dar. Ausgehend von der Kernthese, dass Demokratie und liberale Demokratie zwei unterschiedliche Dinge sind, geht Zakaria Schritt für Schritt die historische Entwicklung von Freiheit und Demokratie durch. Die wichtige Differenzierung erläutert er dabei an zahllosen gut belegten internationalen Fallbeispielen und kommt dabei zu dem Schluss, dass nicht alle Staaten Demokratie als Ad-hoc-Lösung vertragen.

So ist es seiner Ansicht nach etwa für afrikanische Staaten nicht vorrangig demokratisch zu werden, sondern zuerst liberal-freiheitlich. Erst nachdem sich Rechtsstaatlichkeit, stabile Politik- und Wirtschaftslage,  liberale Grundrechte und eine fähige Verwaltung etabliert haben, sollte das Volk – getreu dem Prinzip „Demokratie mit Verantwortung“ - auch volle politische Mitsprache durch Wahlen erhalten. Man erinnere sich: Auch in Österreich gab es zuerst einen funktionierenden Rechts- und Verwaltungsstaat mit einem kapitalistischen Wirtschaftssystem und erst daraufhin demokratische Grund- und Freiheitsrechte und erst sehr viel später das Wahlrecht für alle.

Brandaktuelle Beispiele für seine These liefert Zakaria mit Russland, Venezuela und vielen arabisch bzw. islamischen Ländern, bei denen er den Zusammenhang zwischen Kultur und liberaler Demokratie erörtert. Mit der, den angloamerikanischen Autoren eigenen Zahlenversessenheit analysiert er die individuellen historischen Entwicklungen der verschieden arabischen Länder und leitet davon ab, dass diese noch nicht bereit für Demokratie seien. Die Gefahr, dass islamische Fundamentalisten in den meisten nahöstlichen Staaten mit sehr hoher Zustimmung gewählt würden, ist so groß, dass es wichtiger ist, diese Länder erst auf Demokratie vorzubereiten und so vorerst noch (halb)autoritäre Machthaber wie Musharraf oder Mubarak zu unterstützen.

Die intensive Auseinandersetzung Zakarias mit islamischen Staaten verdeutlicht aber einmal mehr das viel grundsätzlichere Problem der Beziehung zwischen liberalem, demokratischem Rechtsstaat und dem Islam. Dass die Türkei bei seiner Analyse noch vergleichsweise (etwa mit Saudi-Arabien) liberal und demokratisch bewertet werden kann, ändert wenig an den eklatanten Grund- und Menschenrechtsverletzungen in diesem Land. In diesem Zusammenhang wäre es aus freiheitlicher und europäischer Sicht interessant, wie die Eskalation anlässlich der Mohammed-Karikaturen, die so genannten Scharia-Urteile oder die Kopftuch-Debatte zu verstehen sind, die Zakaria jedoch aufgrund des Erscheinungsjahrs nicht behandeln kann.

An die internationale Analyse anschließend befasst sich rund ein Drittel des Werkes mit der Situation der Demokratie in den Vereinigen Staaten, indem beschrieben wird, wie sich die USA seit den Sechziger Jahren politisch und gesellschaftlich zum Negativen verändert haben.

Sich immer wieder auf Madison und die Federalists beziehend, die von der Notwendigkeit ausgegangen waren, dass die Volksherrschaft durch bestimmte Institutionen und Mechanismen kontrolliert werden müsste, behauptet Zakaria, dass in den letzten vierzig Jahren eine schädliche Demokratisierung der Demokratie stattgefunden habe.

Daran anknüpfend geht er in eigenen Kapiteln der Demokratisierung von Politik, Wirtschaft, Kultur, Religion und Medien nach und kommt zum Schluss, dass die Amerikaner um ein vielfaches mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten haben als etwa in den Fünfziger Jahren. Die Fähigkeit dieses Mehr an Mitbestimmungsrechten zu nützen, spricht er ihnen aber ab und verweist auf gute Gründe, die auch in Europa gegen ein Zuviel an Demokratie sprechen.

Die Entscheidungen die in der heutigen globalisierten Welt zu treffen sind, sind so komplex, dass sie vom einzelnen Bürger überhaupt nicht getroffen werden können, sondern nur von Politikern, deren vom Bürger an sie  delegierte Aufgabe es ist, verantwortungsvoll Entscheidungen zu treffen. Durch die zunehmende Demokratisierung wächst der Einfluss des Einzelnen aber unverhältnismäßig stark an und macht etwa langfristige Fragen der Sicherheits-, Bildungs- oder Gesundheitspolitik zum Gegenstand tagespolitischen Kalküls und zur Spielwiese für Interessensgruppen und Akteure außerhalb der gewählten Legislative.

Wer in „Das Ende der Freiheit?“ einfache Antworten auf  grundlegende Probleme von Demokratie erwartet, wird enttäuscht werden. Für einen Leser, der bei schwierigen politischen Fragen differenzierte Antworten verarbeiten kann und ein solides Basiswissen in Philosophie und Globalgeschichte mitbringt, dem bietet Fareed Zakaria eine präzise Analyse der großen Trends und Herausforderungen der freiheitlichen Demokratie.

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